#
29. Dezember 2023

PERSONALDIENSTLEISTER – ES NERVT!

In meinem ersten Artikel habe ich über das Problem „Fachkräftemangel“ geschrieben, welches meiner Meinung nach nicht existiert. Gerne möchte ich hier auf den Punkt Personaldienstleister näher eingehen. Denn Personaldienstleister werden immer dann „angeheuert“, wenn die Personalabteilung es aus eigenen Kräften nicht schafft, den Kandidaten zu finden. Der Personaldienstleister hat nämlich ein Netzwerk und kann zaubern. Und selbstverständlich kennt der Personaldienstleister, den man erst vor 10 Minuten kennengelernt hat, bereits alle internen Prozesse sowie die Unternehmenskultur und weiß selbstverständlich, worauf wir bei der Bewerberauswahl im Unternehmen achten.

Ich betone hier gerne nochmals, dass dieser Artikel meine Meinung zu der Thematik äußert und ich hier niemanden weder beleidigen noch schlecht darstellen möchte. Ich habe mit vielen Personaldienstleistern zusammengearbeitet, diese über mehrere Jahre beauftragt und koordiniert. Außerdem habe ich sogar für einen kurzen Zeitraum „die Fronten“ gewechselt, um mir die Arbeit eines Personaldienstleisters aus der Nähe anzuschauen. Was genau macht ein Personaldienstleister im Gegensatz zum internen Recruiting anders? Was ist deren Strategie? Wie funktioniert die Akquise? Auf diese und viele weitere Fragen habe ich eine Antwort erhalten. Für mich stand jedoch nach kurzer Zeit fest: Das ist nicht das Umfeld, in dem ich mich bewegen möchte. Hier bekommt ihr nun meine ganz persönlichen Erfahrungswerte rund um das Thema Personaldienstleistung serviert.

Gerade komme ich aus einer Besprechung und sehe, dass unsere Bewerberhotline klingelt. Ich nehme den Anruf entgegen und es meldet sich eine junge Dame. Sie spricht ihren Namen und den des Unternehmens so schnell aus, dass ich nichts davon verstehe. Sie spricht schnell weiter und kommt gleich zu ihrem Anliegen. Ich merke sofort: Sie ist aufgeregt und hat ihren Text einstudiert. „Ich habe gesehen, dass Sie einen Teamleiter suchen“, setzt sie fort. Etwas verplext antworte ich: „Welchen Teamleiter meinen Sie denn?“. Sie wird merklich unruhiger und antwortet: „Naja, den für die IT halt“. Hat sie gerade wirklich gesagt „den für die IT halt“, denke ich mir. Innerlich lache ich mich gerade schlapp, aber ich muss mich zusammenreißen, sie macht ja auch nur ihren Job. „Wissen Sie überhaupt, was wir genau machen?“ frage ich sie. „Ja, Sie machen was für Autos“, antwortet sie sehr schnell. „Auf jeden Fall habe ich da einen Kandidaten, der passt sehr gut auf diese Stelle und den möchte ich Ihnen vorstellen. Wohin soll ich sein Profil senden?“, setzt sie fort. Candidate Selling, denke ich mir, also die Akquise so zu drehen, dass man DEN Kandidaten in seinem Netzwerk hat und natürlich auch vorstellen möchte. Dadurch erhoffen sich viele Personaldienstleister, den Fuß ins Unternehmen zu bekommen. „Danke, aber wir haben keinen Bedarf“, teile ich ihr mit. „Ja, aber Ihre Anzeige ist doch so lange schon online, und außerdem habe ich wirklich einen passenden Kandidaten“, antwortet sie sehr hartnäckig. „Wir arbeiten nicht mit Personaldienstleistern zusammen und ich möchte Ihren Kandidaten nicht sehen“, antworte ich ihr erneut. „Ja, und warum arbeiten Sie nicht mit Personaldienstleistern zusammen?“ fragt sie etwas spöttisch, als wäre das das Unnormalste auf der Welt. „Wir rekrutieren hervorragend ohne externe Hilfe“, antworte ich ihr. „Aber das kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie das ohne Hilfe schaffen“. Ok, jetzt platzt auch mir der Kragen. „Sie haben absolut keine Ahnung, was wir als Unternehmen machen, Sie kennen unsere Prozesse und unsere Kultur nicht. Sie wissen ja noch nicht einmal, worauf wir bei einem Kandidaten Wert legen, und behaupten aber, dass Sie den Kandidaten für mich haben? Bitte hinterlegen Sie in Ihrer Datenbank, dass wir kein Interesse haben und durchaus in der Lage sind, unsere Mitarbeiter selbstständig zu rekrutieren.“ Antworte ich ihr, wünsche einen schönen Tag und lege auf.

Solche Anrufe erhalten wir sehr häufig, mehrere am Tag. Wenn man schon Akquiseanrufe macht und versucht mir einen Kandidaten zu verkaufen, warum bereitet man sich nicht besser darauf vor? Warum schaut man sich das Unternehmen nicht etwas genauer an? Solche Anrufer ärgern mich und ich merke, dass ich mich sehr gestört fühle. Ich stelle mir aber auch immer wieder die Frage, ob es Unternehmen da draußen gibt, die den Personaldienstleistern das abkaufen. Diese Unternehmen muss es ja da draußen geben, sonst wären nicht so viele Personaldienstleister auf dem Markt. Ist man wirklich so verzweifelt und nimmt als Unternehmen solche Anrufe gerne entgegen? Diese Frage hat mich sehr lange beschäftigt und ich habe beschlossen, dem auf den Grund zu gehen. Ich habe ein Experiment gewagt und meine Antworten bekommen. Dieses Experiment ist exakt so verlaufen, wie ich es hier jetzt beschreiben werde.

Als Recruiter versuche ich immer den Markt genau im Blick zu haben. Was suchen andere Unternehmen und vor allem wie suchen sie? Vor einigen Monaten haben wir eine neue Kollegin für unsere Personalabteilung gesucht. Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und mir den Markt hierzu angeschaut. Mir ist aufgefallen, dass ein etwas größerer Mittelstand eine Anzeige für die Personalabteilung geschaltet hat. Dieselbe Anzeige mit anderem Wording habe ich aber bei zwei Personaldienstleistern gelesen. Ich habe die Anzeigen miteinander verglichen und war mir sehr sicher, dass es sich um dasselbe Unternehmen handelt. Warum beauftragt dieses Unternehmen gleich zwei Personaldienstleister, frage ich mich und fange an zu recherchieren. Dank Social Media ist es heutzutage nicht so schwierig herauszufinden, wer in diesem Unternehmen arbeitet und vor allem im Recruiting sitzt. Ich finde heraus, dass dieses Unternehmen gleich vier Recruiter hat und einen Teamleiter. Also fünf Personen, die sich Recruiting auf die Fahne geschrieben haben. Das Unternehmen hat 700 Mitarbeiter und ich finde, dass die Größe vom Recruiting-Team echt sehr gut ist.

 Aber warum beauftragt man einen Personaldienstleister? Man hat fünf Personen in einer Abteilung sitzen, die sich ums Recruiting kümmern, aber man schafft es nicht für die eigenen Reihen jemanden zu finden? Ich recherchiere weiter und finde heraus, dass auch viele andere Positionen von Personaldienstleistern gesucht werden. Es sind einige Personaldienstleister wohl hier beauftragt oder wie ich es sagen würde: Kraut und Rüben, ein ganz schönes Durcheinander. Warum schickt man so viele Personaldienstleister los? Haben die denn keine Angst, dass deren Ruf zerstört wird? Ich meine die Personaldienstleister sprechen vermutlich die gleichen Kandidaten an und nennen wahrscheinlich immer den gleichen Auftraggeber. Man kann sich vermutlich vorstellen, was sich die angesprochenen Kandidaten dann denken…

Ich bin neugierig geworden und starte hier mein Experiment. Ich bewerbe mich auf die Position in der Personalabteilung. Fülle brav das Formular aus, lade meinen Lebenslauf hoch und schicke das Ganze ab. Die Position passt gar nicht zu meinem Profil, aber das Ergebnis macht mich sehr neugierig. Sofort bekomme ich vom System eine Eingangsbestätigung. Ich soll mich bitte gedulden, bis meine Unterlagen gesichtet worden sind. Es vergehen ganze drei Wochen, keine Rückmeldung. Also versuche ich Kontakt aufzunehmen und finde keine Rufnummer, geschweige denn einen Ansprechpartner auf den Karriereseiten. Also rufe ich beim Empfang an und möchte durchgestellt werden. Keine Chance, ein Rückruf wird mir aber versprochen. Es vergeht wieder eine Woche, keine Reaktion. Diesmal schreibe ich eine E-Mail und bitte um Rückmeldung. Nach ganzen acht Wochen habe ich eine Absage lieblos formuliert über deren System erhalten. Keine Entschuldigung, keine Erklärung, absolut nichts.

Fassen wir zusammen: Das Unternehmen bezahlt fünf Personen fürs Recruiting, und diese schaffen es nicht Rückmeldung zu geben, geschweige denn selbstständig die einfachsten Positionen zu besetzen. Was heißt das für das Unternehmen? Das Unternehmen zahlt grob geschätzt über 200.000 EUR Gehalt jährlich an fünf Personen, die ihren Job nicht erfüllen. Was genau in diesem Unternehmen schief läuft, kann ich natürlich von außen nicht sagen. Mir zeigt es jedoch ganz deutlich: Viele Unternehmen verstecken sich hinter dem Fachkräftemangel und glauben an den Zauberstab der Personaldienstleister.

Meine absoluten Lieblinge sind aber die, die uns täglich mit E-Mails regelrecht bombardieren. Täglich erhalten wir irgendwelche Kandidatenprofile zugeschickt. Wir haben nie danach gefragt und löschen diese Art der E-Mails auch sofort. Versetzt euch mal bitte in diese Situation: Eure Profile werden wahllos einfach über einen großen Verteiler gejagt. Möchtet ihr das wirklich? Auch wenn die Profile teilweise anonymisiert sind, ist das meiner Meinung nach ein absolut unprofessionelles Verhalten. Getoppt wird das Ganze, wenn dann der Personaldienstleister anruft und mich fragt, wie ich das Profil von Herrn K. finde. In solchen Situationen denke ich mir: Ok, liebes Kamerateam, ihr könnt jetzt aus euren Verstecken kommen. Das muss doch wirklich ein Scherz sein.

Personaldienstleister sollten meiner Meinung nach die Leuchttürme für die Recruiter und die Unternehmen sein. Sie sollten den Markt besser im Blick behalten, ein gutes Netzwerk haben und auch beratend für die Recruiter tätig sein. Also eigentlich eine Entlastung darstellen. Leider ist dies nicht immer der Fall, und die Personaldienstleister werden manchmal sogar zur Belastung. Fingerspitzengefühl und Empathie sind hier die wichtigsten Kriterien. Ein Personaldienstleister sollte nicht einfach wahllos mit Profilen um sich werfen, sondern sich mit dem Auftraggeber, den Unternehmen auseinandersetzen. Ich vergleiche die Personaldienstleister hin und wieder mit dem Thermomix. Kochen kann jeder auf seine Art und Weise. Der Thermomix jedoch ist eine echte Hilfestellung in der Küche, dank ihm kann man über seinen Tellerrand hinausblicken und sich auch an neue Dinge wagen. Der Thermomix navigiert nämlich jemanden auch durch schwierige Menüs. So sollten es auch die Personaldienstleister für die Unternehmen tun.

Ich möchte nicht alle Personaldienstleister da draußen über einen Kamm scheren. Es gibt auch tolle Personaldienstleister, die wirklich einen hervorragenden Job machen und schon lange diese Leuchtturmfunktion eingenommen haben. Ich greife nicht oft zur externen Hilfe. Wenn ich aber dennoch mal Unterstützung benötige, greife ich auf die Avantgarde Experts, Academic Work, Krongaard, JRWG CoachConsult oder Hype (Frank Rechsteiner) zurück. Hier könnt ihr wirklich von guter Energie, Wissen und ganz viel Empathie profitieren.

Zusammengefasst ist das Thema Personaldienstleistung ein sehr umfangreiches und für mich auch teilweise nerviges Thema. Ich bin immer noch der Überzeugung, dass ein Unternehmen mit sehr gut ausgebildeten Recruitern den besten Mehrwert liefert. Denn die Recruiter kennen das Unternehmen und wissen, wie es tickt. Leider wird der Ruf der wirklich guten Personaldienstleister durch viele schwarze Schafe da draußen kaputt gemacht. Diese aggressive Art und Weise, seine Kandidaten zu verkaufen, ist ein Trend und setzt sich leider immer mehr fort. Daher bitte Augen auf bei der Auswahl der Personaldienstleister und stellt euch immer wieder diese Frage: Warum muss ich auf einen Personaldienstleister zurückgreifen?